Virtuelles Kraftwerk: Definition, Funktion und Vorteile | Klimaworld

Virtuelles Kraftwerk: Definition, Funktion und Vorteile

Virtuelle Kraftwerke zählen zu den fortschrittlichsten technischen Verfahren und Strukturen im Bereich der erneuerbaren Energien, denn diese werden dadurch zukunftssicherer und steuerbarer gemacht. Sie gehören deshalb zu den wichtigsten Akteuren, wenn es um das Thema Energiewende geht. Was genau man unter einem virtuellen Kraftwerk versteht und wie es funktioniert, erfahren Sie im Folgenden.

> Was ist ein virtuelles Kraftwerk?
> Wie funktioniert ein virtuelles Kraftwerk?
> Was sind die Vorteile eines virtuellen Kraftwerks?
> Gewerbliche und private Stromverbraucher
> Standartisierung von virtuellen Kraftwerken

Was ist ein virtuelles Kraftwerk?

Als virtuelles Kraftwerk – üblicherweise Kombikraftwerk, Schwarmkraftwerk oder DEA-Cluster (Cluster aus dezentralen Erzeugungsanlagen) genannt – wird der Zusammenschluss mehrerer dezentraler Einheiten der Stromversorgung bezeichnet, die über ein Leitsystem koordiniert werden. Die Einheiten können Wasserkraftwerke, Photovoltaikanlagen, Blockheizkraftwerke, Biogas- oder Windenergieanlagen sein. Somit können sowohl Stromproduzenten als auch Stromverbraucher und Stromspeicher Teil des virtuellen Kraftwerks sein. Es werden mehrere Standorte zusammengeschaltet, um elektrische Leistung zuverlässig bereitzustellen. Der erzeugte Strom wird gesteuert und vereint in das Stromnetz eingespeist. Durch das Zusammenwirken mehrerer Akteure und die zentrale Steuerung ist es virtuellen Kraftwerken möglich, die schwankende Energie, die von Sonne und Wind erzeugt wird, in Echtzeit auszugleichen und eine Überlastung des Stromnetzes zu verhindern.

Wie funktioniert ein virtuelles Kraftwerk?

Bei erneuerbaren Energien schwankt die Stromspeisung sehr stark. Bei viel Sonnenschein und Wind wird eine große Menge an Energie erzeugt, während nachts oder an windstillen Tagen die Produktion niedrig ist. Da Haushalte und besonders die Industrie aber rund um die Uhr Strom benötigen, musste eine Lösung für dieses Problem gefunden werden. Oft kommen konventionelle Kraftwerke zum Einsatz, wenn Biomasse, Sonne und Wind nicht ausreichen.

Da im Zuge der Energiewende der Prozentsatz der erneuerbaren Energien weiter steigen soll, müssen derartige Schwankungen in der Produktion ausgeglichen werden. An diesem Punkt kann das virtuelle Kraftwerk Abhilfe schaffen – es bündelt alle Energie aus den gesteuerten kleinen Energieproduzenten und -speichern und speist die benötigte Energiemenge in das Stromnetz ein – so viel, wie beim Stromverkauf festgelegt wurde. Damit das funktioniert, muss genau bekannt sein, wie viel Strom die angeschlossenen Erzeuger bereitstellen können. Nur so ist es möglich, vorherzusagen, welche Strommenge in das Stromnetz eingespeist werden kann. Die Voraussetzung dafür ist ein Monitoring-System, welches alle Anlagen überwacht. Es beobachtet, welche Geräte eingeschaltet sind, wie viel sie aktuell erzeugen und beachtet zudem Wetterdaten, was besonders bei Solar- und Windanlagen relevant ist. Ein zentrales Leitsystem leitet alle beteiligten Akteure durch einen speziellen Algorithmus. Dadurch können nicht nur sämtliche Einheiten des virtuellen Kraftwerks koordiniert werden, sondern auch auf Regelenergieabrufbefehle und Netzzustände reagiert werden.

Schon gewusst?
Bereits in den 1990er-Jahren entstanden die ersten Konzepte für virtuelle Kraftwerke in der Theorie. Damals war jedoch die Computer- und Netzwerktechnik noch nicht fortschrittlich genug, um ein solches Projekt auch realisieren zu können.

Durch die Verbindung mit dem Stromhandel ist es dem virtuellen Kraftwerk zudem möglich, sich schnell und flexibel an die Preissignale der Strommärkte anzupassen. Der Strompreis kann sich circa 96 mal pro Tag im Intradayhandel an der Strombörse ändern und zwei- bis dreistellige Differenzen des Strompreises pro Megawattstunde bewirken. Somit ist schnelles und flexibles Agieren in der Energiewirtschaft entscheidend. Da einzelne Erzeuger sich auf dem Strommarkt allein nicht problemlos behaupten können, ist der Zusammenschluss mehrerer Erzeuger eine bewährte Taktik geworden.

Für die Funktionsweise eines virtuellen Kraftwerks sind drei Werte relevant:

  • Die Ertragsprognose, die viertelstündlich erfolgt
  • Der Betrag der aktuellen Stromproduktion
  • Der aktuelle Marktpreis

Informationen über die aktuelle Stromerzeugung, Prognosen, Steuersignale und weitere Informationen werden sekündlich zwischen den einzelnen Anlagen und der Steuerzentrale ausgetauscht. Dadurch kann die Stromproduktion sofort herauf- oder heruntergefahren werden.

Vorteile eines virtuellen Kraftwerks

Im Gegensatz zu traditionellen Kraftwerken, die eine gewisse Zeitspanne benötigen, um die Stromproduktion herunterzufahren, können virtuelle Kraftwerke sehr schnell die Produktion erhöhen oder senken. Dadurch ist es ihnen möglich, viel flexibler auf die kontinuierlichen Änderungen der Preise am Strommarkt zu reagieren, wodurch der erzeugte Strom dort effizient angeboten werden kann.

Des Weiteren arbeiten virtuelle Kraftwerke sehr selbstständig. Per Gesetz müssen seit 2016 alle Betreiber von Anlagen mit erneuerbaren Energien, die mehr als 100 Kilowatt Leistung erzeugen, die überschüssige Energie, die sie nicht selbst verbrauchen, direkt vermarkten. Diese Aufgabe übernimmt das virtuelle Kraftwerk selbst. Durch das Zusammenführen von diversen Anbietern verfügt es über eine optimale Marktposition. Alle Einheiten profitieren davon und bleiben dennoch selbstständig.

Schon gewusst?
Bereits über 40% des Strombedarfs deutschlandweit wird durch erneuerbare Energien erzeugt – die Energiewende ist folglich auf einem guten Weg.

Ein weiterer Vorteil von virtuellen Kraftwerken liegt in der Systemsicherheit. Aufgrund der Energiewende und der neuen Klimaziele wird der Anteil an erneuerbaren Energien weiter steigen. Damit das Stromnetz stabil bleibt, ist es wichtig, genauso viel Strom einzuspeisen, wie verbraucht wird. Je nach Bedarf kann das virtuelle Kraftwerk flexibel reagieren und einzelne Erzeuger vom Netz abkoppeln oder die Produktion durch Zuschaltung weiterer Erzeuger oder Abschaltung einzelner Verbraucher erhöhen.

Zudem sorgen virtuelle Kraftwerke durch die dezentrale Steuerung mehrerer vernetzter Einheiten für eine Digitalisierung des Strommarktes. Die Zukunft ist digital und virtuelle Kraftwerke leisten bei der Digitalisierung der Energiewirtschaft einen entscheidenden Beitrag.

Gewerbliche und private Stromverbraucher

Gewerbliche und industrielle Stromverbraucher können Akteur innerhalb eines virtuellen Kraftwerks werden. Da Strom durch die Flexibilität des Kraftwerks genau dann verbraucht werden kann, wenn er reichlich vorhanden und preiswert ist, kann ein Betrieb seine Produktion genau in diesen günstigen Zeitraum legen. In diesem Fall kann der Betrieb bis zu einem Drittel der Produktionskosten sparen. Dies könnte das virtuelle Kraftwerk sogar nach Wunsch per Impuls befehlen, wenn ein Stromzähler mit registrierender Leistungsmessung (RLM-Zähler) vorhanden ist. Diese können allerdings erst ab einem Jahresverbrauch von 100.000 Kilowatt verwendet werden.

Private Haushalte hingegen reichen nicht annähernd an den benötigten Stromverbrauch heran und müssen darauf warten, dass Smart Meter zum Einsatz kommen – dies sind intelligente Messgeräte, die digitale Daten empfangen und senden können und somit in ein Kommunikationsnetzwerk integriert sind. Durch derartige intelligente Zähler wäre es denkbar, private Haushalte ebenfalls in virtuelle Kraftwerke einzubinden.

Standardisierung von virtuellen Kraftwerken

Die Europäische Union fördert diverse Projekte, beispielsweise DISPOWER, FENIX und MICROGRIDS, die sich mit der Entwicklung von einheitlichen Standards im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie befassen. Durch solche Standards wäre es möglich, ein virtuelles Kraftwerk internetbasiert zu steuern und der automatisierte Stromhandel würde durchführbar. Derzeit scheint es sich abzuzeichnen, dass eine erweiterte Version des Kommunikationsprotokolls IEC-61850-7-420 der leittechnische Standard für dezentrale Energieanlagen wird.

Schon gewusst?
Seit der Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) im Jahr 2021 liegt die Grenze von PV-Anlagen zur Fernsteuerung nicht mehr bei 30kWp, sondern bei 25 kWp. Alle Anlagen mit höherer Leistung als diesem Wert müssen demnach über die Möglichkeit einer Fernsteuerung durch den Netzbetreiber verfügen. Gelöst wird dies durch die verpflichtende Installation eines Rundfunksteuerempfängers.

Zusammengefasst: Virtuelles Kraftwerk

Durch virtuelle Kraftwerke werden erneuerbare Energien zukunftssicher. Virtuelle Kraftwerke sind eine Form der dezentralen Stromversorgung. Dabei werden verschiedene Einheiten und Standorte zusammengeschaltet und durch eine Steuerzentrale mithilfe eines Algorithmus koordiniert. Teil eines virtuellen Kraftwerks kann jeder Akteur sein, der dezentral Strom speichert, verbraucht oder das Ziel hat, Strom flexibel für den Strommarkt zu produzieren. Durch das Austauschen der aktuellen Stromproduktion sowie von Prognosen und das Beobachten des Strommarktes kann das virtuelle Kraftwerk flexibel auf Preisschwankungen reagieren. Das virtuelle Kraftwerk übernimmt die Vermarktung der einzelnen Einheiten.

Des Weiteren kann es je nach Bedarf einzelne Stromerzeuger und Verbraucher abkoppeln oder zuschalten, wodurch nur so viel Strom produziert wird, wie tatsächlich gebraucht wird – das Stromnetz bleibt somit stabil. Demnach sind virtuelle Kraftwerke Großkraftwerken in diversen Punkten, beispielsweise der Flexibilität und Schnelligkeit des Handelns, weit überlegen und sorgen mit ihrer dezentralen Vernetzung von Einheiten für eine Digitalisierung des Strommarktes.

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